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Urteil zum Glücksspiel-Monopol, Zocken mit Grenzen


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Hall@,

Urteil zum Glücksspiel-Monopol

Zocken mit Grenzen

Von Marc Widmann und Wolfgang Janisch

Trotz des EU-Urteils gegen die Glücksspiel-Regelung ist die Politik nicht gewillt, den Markt zu öffnen. Um sein Monopol zu retten, muss der Staat vor allem die Spielhallen schärfer kontrollieren. Es ist ein Kampf um Milliarden.

Was für einen schönen Klang das Wort doch hat in den Ohren vieler deutscher Regierungschefs: Monopol.

Die privaten Spielhallen rücken nun in den Fokus der Diskussion.

So ein lukratives Monopol wollten sich die Länder dauerhaft sichern im Jahr 2008, als sie den Staatsvertrag zum Glücksspiel unterschrieben. Seither durften nur noch staatliche Anbieter Lotto und Sportwetten unters Volk bringen. Die Einnahmen fließen praktischerweise direkt in die Länderkassen, es sind Milliarden jedes Jahr. Wer trotzdem noch Wetten übers Internet anbieten wollte, musste auswandern; viele Firmen sitzen nun in Malta, Gibraltar oder Österreich.

Dort wurde am Mittwoch vermutlich das eine oder andere Glas Champagner ausgegeben. "Großartig", jubilierte der Anwalt eines Wettanbieters. Die Zeit des Monopols gehe jetzt zu Ende, sagte er. Doch da freut sich möglicherweise zu früh. In Mainz, wo seine Gegenspieler sitzen, gab man sich am selben Tag nicht niedergeschlagen, sondern kämpferisch. "Klar ist für mich, dass wir das staatliche Monopol weiterhin wollen und brauchen", sagte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) der Süddeutschen Zeitung. "Wir müssen nun eine Lösung zwischen den Ländern aushandeln."

Die Botschaft ist eindeutig: Die Politik gibt sich nicht geschlagen.

Schließlich geht es um große Summen. Fast 3,4 Milliarden Euro flossen 2008 aus Lotterien und Spielbanken in die Staatskasse, hinzu kommen gut 1,2 Milliarden Euro aus den Steuern für Spielhallen. Außerdem verteilen die Lottofirmen selbst noch Geld in ihren Ländern. "Viel Gutes für die Allgemeinheit" bringt das, findet Beck. Dieses Geld fließe in den Sport, in Kultur- oder Umweltprojekte. Darauf verzichtet kein Land gerne.

Doch ist die Politik gespalten. Manche Länder, allen voran Schleswig-Holstein, wollen den Markt jetzt öffnen und Konzessionen an private Wettanbieter verteilen. Die meisten aber sind offenbar bereit, ihr liebgewonnenes Monopol zu verteidigen. Sie überlegen nun, wie sie die Lücken stopfen können, welche die europäischen Richter bemängelt haben.

Das größte Leck ist zugleich der Knackpunkt in der jetzt startenden Diskussion: die privaten Spielhallen. Sie sind hierzulande erlaubt, obwohl sie noch gefährlicher seien für Spielsüchtige als die verbotenen Internetwetten, wie die Richter verwundert feststellen. Will die Politik ihr Monopol retten, muss sie also die Spielhallen angehen.

Die vielen Probleme mit den Spielhöllen

Diese haben sich in den vergangenen Jahren mächtig ausgebreitet, ständig werden neue Spielhöllen eröffnet, voller leuchtender und bimmelnder Automaten. Etwa 12.300 sind es in Deutschland. Fachleute kritisieren schon lange, dass sie nicht unter die Regeln des Glücksspielstaatsvertrags fallen, sondern als Unterhaltungsautomaten vergleichsweise geringen Restriktionen unterworfen sind. Zudem sind sie nicht mit einer hohen Spielbankenabgabe belegt, sondern mit einer geringen Vergnügungssteuer.

Der Bremer Psychologie-Professor Gerhard Meyer, ein ausgewiesener Fachmann für Glücksspielsucht, moniert, dass die Spielhallenbetreiber mit Hilfe eines Punktesystems die vom Gesetzgeber vorgegebenen Gewinngrenzen umgehen. Wegen der beträchtlichen Gewinnchancen - in Verbindung mit einer hohen Spielfrequenz - hätten die Automaten das größte Suchtpotenzial: 80 Prozent aller pathologischen Zocker seien Automatenspieler.

Es gibt noch ein weiteres Problem. In den Spielbanken, die vom Staat betrieben oder zumindest per Konzession zugelassen werden, können Spielsüchtige gesperrt werden. Deren Gesamtzahl wird bundesweit auf mindestens 100.000 geschätzt. Etwa 19.000 Betroffene sind in einer Sperrdatei registriert und werden am Eingang abgewiesen. Spielhallen dagegen kennen keine Einlasskontrolle.

Wer nicht mehr ins Casino darf, kann sein Geld also einfach in die blinkenden Spielhallen tragen. Diese haben die Casinos inzwischen sogar überholt: Von den knapp 25 Milliarden Euro Gesamtumsatz am Glücksspielmarkt entfielen im Jahr 2008 mehr als 8,1 Milliarden auf die Automaten in den Spielhallen. Der Umsatz in den Spielbanken brach dagegen von 2007 auf 2008 um mehr als 20 Prozent ein, auf gerade noch 8 Milliarden.

"Das ist ein alter Streit", heißt es in der Staatskanzlei von Kurt Beck. Schon vor Jahren haben die Länder den Bund aufgefordert, das Problem mit den Spielhöllen zu lösen. Zuständig ist das Bundeswirtschaftsministerium, doch geschehen ist dort bislang wenig. Kritiker warten zum Beispiel seit einiger Zeit auf die Ergebnisse einer Studie zum Thema, die aber nicht veröffentlicht wird.

Hängt das damit zusammen, dass die Branche berüchtigt ist für ihre aggressive Lobbyarbeit bei Politikern? Oder damit, dass sie dem Staat viel Geld bringt? "Es fließen erhebliche Steuern aus dem Automatenspiel", sagt Norbert Teufelberger, "das zu verbieten wäre politischer Selbstmord."

Teufelberger ist bestens gelaunt an diesem Mittwoch. Er ist der Chef der österreichischen Firma Bwin, die Glücksspiele im Internet vertreibt und endlich wieder Geld in Deutschland verdienen will. "Auf das Urteil haben wir uns gefreut", sagt der Firmenchef. Es sei "ein letzter Weckruf an die deutsche Politik, den Markt ordentlich zu regulieren". Und was der österreichische Wettenverkäufer darunter versteht, ist kein Geheimnis: "Wir wollen Marktzugang."

Info :Sueddeutsche.de

bearbeitet von Fritzl
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Hallo@,

Und hier nochmals ein Artikel über selbiges Thema aus einer anderen Tageszeitung

EuGH kippt deutsches Glücksspiel-Monopol

Luxemburg - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat das deutsche Monopol für Lotterien und andere Glücksspiele gekippt. Grundsätzlich seien solche Wettmonopole zwar zulässig, um die Spielsucht zu bekämpfen, wie der EuGH am Mittwoch betonte. In Deutschland werde dieses Ziel aber nicht konsequent verfolgt, sondern durch Werbung und private Geldspielautomaten unterlaufen. (Az: C-316/07 und weitere)

Strittig war das Angebot von Glücksspielen im Internet. Dies ist nach dem 2008 in Kraft getretenen, zwischen den Bundesländern geschlossenen Staatsvertrag verboten. Dagegen klagten ein Wettveranstalter aus Gibraltar, der seine Wetten über das Internet auch in Deutschland verkaufen will, sowie mehrere Vermittler, die Wetten von Veranstaltern aus Österreich, Malta und Großbritannien im Internet anbieten. Gerichte aus Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein legten die Klagen dem EuGH vor.

Der bekräftigte nun, dass Wettmonopole zwar in die europäische Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit eingreifen, dass sie aber trotzdem zulässig seien können, um die Spielsucht sowie die mit illegalem Glücksspiel häufig verbundene Kriminalität einzudämmen. Auch Zulassungen der Veranstalter in anderen EU-Ländern stünden einem Verbot in Deutschland nicht entgegen.

Doch ein Wettmonopol sei nur gerechtfertigt, wenn das Land die damit verbundenen Ziele "in kohärenter und systematischer Weise verfolgt". Dies sei in Deutschland nicht der Fall und das Monopol daher unzulässig, urteilte der EuGH. Auch übergangsweise könne es nicht mehr angewandt werden.

Zur Begründung verwiesen die Luxemburger EU-Richter auf "intensive Werbekampagnen", mit denen die Lotto-Monopolgesellschaften der Länder versuchten, ihre Gewinne zu maximieren. Damit entfernten sich die Lottogesellschaften von den Zielen, die ihr eigenes Monopol rechtfertigen. Zudem würden Casinos, Spielhallen und Geldspielautomaten in Gaststätten nicht ernsthaft begrenzt, obwohl das Suchtpotenzial hier höher sei als beim Lotto.

Die EU-Richter wichen mit ihrem Urteil (Rechtssachen: C-316/07; C-358/07; C-359/07), C-360/07; C-409/07; C-410/07; C-46/08) vom Gutachten des Generalanwaltes ab, dem sie in den meisten Fällen folgen. Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen das Monopol als gerechtfertigt bezeichnet, "sofern das dem Monopol unterliegende Spielangebot geringer ist als es bei einem privaten Dienstleistungserbringer bestehen könnte".

Experte erwartet Absage für Österreichs Monopol

Die Entscheidung des EuGH hat nach Einschätzung des Wiener Rechtsanwaltes Johannes Öhlböck im Gespräch mit derStandard.at Signalwirkung für die für morgen erwartete Entscheidung des Gerichtshofs in einer vergleichbaren Sache mit Österreichbezug. Ein deutscher Unternehmer wurde im März 2007 vom Bezirksgericht Linz zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er illegale Spielcasinos in Linz und Schärding betrieben hatte. Seine Berufung dagegen ging an das Landesgericht Linz, das den EuGH angerufen und Bedenken gegen das österreichische Glücksspielmonopol angemeldet hat.

Diese Bedenken wurden von Generalanwalt Jan Mazak geteilt, der am 23. Februar 2010 befunden hat, dass jene Regelung, die den Betrieb von Casinos alleine Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich vorbehält, gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Im Teilnahmeverbot für nichtösterreichische Unternehmen an Ausschreibungen für Spielbankkonzessionen sieht der aus der Slowakei stammende Generalanwalt einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. Wie im Fall des aktuellen deutschen Urteiles ist die Werbetätigkeit von Glücksspielunternehmen auch in der österreichischen Causa ein Thema.

Nach Ansicht des Generalanwaltes ist durch das nationale Gericht (in diesem Fall das Landesgericht Linz) zu prüfen ob diese Werbung mit dem Ziel im Einklang steht, eine „attraktive" Alternative zu den verbotenen Spielen zu sein, ohne jedoch die Nachfrage nach Glücksspielen übermäßig zu beleben - Eine Gratwanderung.

Die Situationen in Deutschland und Österreich sind in wesentlichen Zügen vergleichbar. Der europäische Gerichtshof folgt regelmäßig den Schlussanträgen des Generalanwaltes. Anwalt Öhlböck erwartet daher morgen eine Absage für das österreichische Glücksspielmonopol.

"Historische Chance"

Der österreichische Online-Glücksspielkonzern bwin sieht die Entscheidung des EuGH als "historische Chance, dass das Online-Glücksspiel in Deutschland zeitgemäß reguliert wird", sagte Sprecherin Katharina Riedl. Auch Konkurrent bet-at-home spricht von einer "richtungsweisenden Entscheidung". Der heimischen Noch-Glücksspielmonopolist Casinos Austria indes sieht in dem EuGH-Spruch eine "Bestätigung für die Kohärenz des österreichischen Systems", wie Rechtsvorstand Dietmar Hoscher wissen ließ. Der niederösterreichische Automatenkonzern Novomatic ortet in der von den EU-Richtern "erzwungenen Öffnung der Monopole in Deutschland ein weiteres Expansionspotenzial in den Segmenten Lotterien und Wetten".

Der Online-Wettanbieter bwin hat in Deutschland, seinem größten Markt, mit einigen Problemen zu kämpfen. Neben zahlreichen Klagen macht bwin auch das Werbeverbot zu schaffen. "Wenn von uns gesponserte Fußballmannschaften in Deutschland spielen, dürfen sie das bwin-Logo nicht tragen", erläuterte Riedl. Ähnlich geht es dem bwin-Konkurrenten bet-at-home: Das in Wien und Frankfurt börsenotierte Unternehmen wurde laut Eigenangeben im Vorjahr "daran gehindert, nicht als Hauptsponsor des ATP Turniers in Hamburg in Erscheinung zu treten und ist seither ständig Unterlassungsforderungen deutscher Behörden ausgesetzt", wie es einer Mitteilung von heute hieß. (APA/red)

Info : derstandart.at

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